Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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No. 86 (2003: 6)


 

    Entidades promotoras
    Akademie Brasil-Europa
    I.S.M.P.S. e.V./I.B.E.M.: Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes/Instituto Brasileiro de Estudos Musicológicos
    ACDG: Associação Cultural Cante e Dance com a Gente (Novo Hamburgo RS)
    Institut für hymnologische und musikethnologische Studien e.V. (Maria Laach)

    Direção geral
    Dr. Antonio A. Bispo

Sessão dedicada a questões interculturais e intertribais no Congresso de Estudos Euro-Brasileiros 2002, Joanópolis
© Foto: H. Hülskath, 2002
Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S.

 

TEXTE EUROPÄISCHER REISENDER ALS QUELLEN EINER GESCHICHTE FREMDER WAHRNEHMUNG INDIGENER MUSIKKULTUREN
ERICH WUSTMANN

Aus dem Kolloquium "Europa und die Klangwelt der Indianer" der Akademie Brasil-Europa (2002)

Stephanie Merkl

 

Fontes estrangeiras para a história da apreensão das culturas musicais indígenas: Erich Wustmann

Stephanie Merkl

A conferencista apresentou uma súmula de trabalhos desenvolvidos por ocasião do Colóquio Internacional "Europa e o Universo Sonoro dos Índios", realizado em Colonia, República Federal da Alemanha, pela Academia Brasil-Europa, em julho de 2002.

Aproveitando a participação de índios de cultura Krahô no Congresso, o objetivo da conferência foi apresentar dados publicados em língua alemã a respeito desse povo por Erich Wustmann (1907-1994), cujas obras, de cunho de divulgação, de larga difusão na Alemanha, pouco são conhecidas no Brasil. Wustmann esteve entre os Krahô nos anos e 1955 e 56, acompanhado pelos doutores Ingeborg e Günther Müller.

Os dados fornecidos por esse autor foram discutidos com os indígenas presentes e com o especialista da cultura Krahô, Pe. Valber Dias.

Die folgende Auseinandersetzung soll einen Einblick in das musikalische Leben der Krahó geben, ausgehend von den Berichten des deutschen Völkerkundlers Erich Wustmann.

Erich Wustmann (1907-1994) hielt sich zu Feldforschungszwecken in den Jahren 1955/56 bei den Krahó auf, zusammen mit seinen Begleitern Frau Dr. Ingeborg und Herr Dr. Günther Müller.

Die Krahó stellen einen von insgesamt 36 Indianerstämmen dar, die Wustmann im Laufe seines Lebens besuchte. Seine Erfahrungen und Beobachtungen hielt er in "Crao. Indianer der roten Berge" fest. Dieser Reisebericht ist im romanhaften Stil verfasst und somit der populärwissenschaftlichen Literatur zuzuordnen. Nichtsdestotrotz enthält er neben zahlreichen völkerkundlichen Beobachtungen wesentliche für die Musikanthropologie bedeutende Anmerkungen. Letztendlich lässt sich sagen, daß Erich Wustmann der Verdienst zukommt, die große musikethnologische Bedeutung der Krahó erkannt zu haben.

Zunächst sollen einige Anmerkungen zum Stamm der Krahó gemacht werden.

Die Gê-sprechenden Krahó leben im Inneren des Nordostens Brasiliens, im Bundesstaat Goja. Sie werden der Gruppe der östlichen Timbira zugeordnet. Zu dem Begriff Timbira ist anzumerken, daß es sich hier um eine Bezeichnung von außen handelt, die die Indianer auf sich selbst nicht anwenden. Bestimmte kulturelle Eigenschaften, wie den Gê-Sprachstamm, die Morphologie der Dorfanlage, den typischen Haarschnitt oder das Klotzrennen, teilen die Krahó mit nahezu allen weiteren Timbira-Stämmen.

Die Zuordnung zu den östlichen bzw. zu den westlichen Timbira bezieht sich auf die Lage der einzelnen Stämme zum Rio Tocantins. Das 3.200 qm große Siedlungsgebiet der Krahó wird von einem Nebenfluss des Rio Tocantins (Manoel Alves Pequeno) und dem Rio Vermelho begrenzt. Die Demarkation dieses Gebiets wurde 1990 offiziell für rechtskräftig erklärt, es handelt sich hier aber nicht um das ursprüngliche Land der Krahó. Seit ihrem Kontakt mit der weißen Bevölkerung Brasiliens im 19. Jahrhundert wurden die Krahó von ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet in Maranhao immer weiter verdrängt, bis ins Tocantinsgebiet.

Die Gesellschaftsform der Krahó ist auf binären Prinzipien basierend organisiert. So unterteilen sie die Dorfgemeinschaft in zwei Hälften, Catomje und Wagmeje. Hierbei handelt es sich sowohl um soziale und politische als auch um zeremonielle Einheiten. Auch in der architektonischen Anlage des Dorfes ist diese Zweiteilung in eine westliche und östliche Stammeshälfte zu erkennen.

Wie bereits erwähnt, kommt Erich Wustmann das Verdienst zu, die bedeutende Stellung, die die Musik im Leben der Krahó einnimmt, erkannt zu haben. So schreibt er bereits in seinem Vorwort:

"Wir lernten sie als tanz- und sangesfreudiges Völkchen kennen. Seitdem bin ich viele Jahre in Südamerika gewesen, viele Jahre im Busch und bei anderen Indianerstämmen. Gerne denke ich an die Crao zurück. Bei keinem anderen Stamm wurde so getanzt und gesungen wie bei jenen."

Diese hervorragende Bedeutung von Musik im Alltag dieser Indianer, zeigte sich für Wustmann bereits in dem Namen des Dorfes, in dem er sich aufhielt: Icre (Großes Lied).

Während seines Aufenthaltes bei den Krahó konnte er nächtliche Gesänge und Gesänge vor Sonnenaufgang miterleben, die täglich stattfanden. Diese täglichen Tänze der Krahó sind bei allen Timbira-Stämmen während der Trockenzeit, der Zeit des Jahres, in der die meisten Zeremonien stattfinden, üblich. Normalerweise werden drei Mal täglich Tänze im Zentrum des Dorfes ausgeführt. Der erste Tanz findet noch vor Sonnenaufgang statt und hält bis in die frühen Morgenstunden an, ein zweiter meist kürzerer Tanz findet am späten Nachmittag vor Sonnenuntergang statt, während sich der dritte Tanz des Tages am Abend nach Sonnenuntergang bis teilweise spät in die Nacht beobachten läßt.

Üblicherweise kündigt ein Vorsänger, der sich durch seine schöne Stimme, eine gute Kenntnis der zahlreichen Lieder und eine gute körperliche Ausdauer auszeichnet, den Tanz an, indem er sich auf den Dorfplatz begibt und den Tanz mit seiner maraca, einer mit Samen gefüllten ausgehöhlten Kalebassenfrucht, einleitet, bis sich nach und nach der Chor der Männer und Frauen zusammenfindet.

Über einen nächtlichen Gesang berichtet Wustmann:

"Plötzlich beginnt Gojacá sein Lied. Er singt, ohne die Frauen anzublicken. Sein tänzelnder Schritt wird von einigen Hüpfern unterbrochen. Die Frauen fangen an, die gewinkelten Arme zu bewegen. Die eine erhebt ihre Stimme, die anderen fallen ein. Der Gesang schwillt an und verklingt. Lauter singt Gojacá. Von der anderen Seite sind einige junge Indianer auf den Vorsänger zugesprungen und es sieht aus, als wollten sie ihn vertreiben. Sie hüpfen mit stampfenden Füßen, daß es laut dröhnt. Sobald Gojacá sich ihnen zuwendet, hüpfen sie zurück, um gleich danach ihren Angriff zu wiederholen. Unbeirrt singen die Frauen. Allmählich steigert sich das Ganze. Die Stimmen sind sehr laut, ohne zu schreien. Gojacá tanzt schneller, und die Füße hämmern ohne Unterlass die harte Erde."

Auch am frühen Morgen kann Wustmann einen kollektiven Tanz im Zentrum des Dorfes beobachten:

"Bevor es hell wird, huschen dunkle Gestalten aus ihren Hütten und zum Festplatz hinüber. Der Gesang [der Nacht] ist verklungen. Aber auf einmal erklingt es aufreizend schrill und laut durchs Dorf. Ein Crao kommt den äußeren Weg des runden Platzes entlang und singt oder ruft, daß alle Leute erwachen. Auch die in unserer Hütte liegenden Indianer recken und strecken sich, erheben sich und gehen hinüber. Aus der Mitte des Platzes steigt die Stimme eines Mannes, Frauenstimmen fallen ein, und es kommt zu einer überraschend schönen Mehrstimmigkeit. Wer lehrte das die Crao? Wie alt sind diese herrlichen Melodien?"

Mit dem von Wustmann beschriebenen morgendlichen Gesang lassen sich wesentliche choreographische Charakteristika dieses gemeinschaftlichen Ereignisses verbinden.

Eingeleitet wird der Gesang wie bereits erwähnt von einem Vorsänger mit einer maraca. Daraufhin stoßen der Chor der Frauen und der Chor der Männer hinzu. Die Frauen stellen sich in einer langen Reihe auf und bewegen ihre Arme und Beine im Rhythmus der maraca, ohne ihre Position zu verändern. Innerhalb dieser Reihe der Frauen befindet sich die Position einer weiblichen Vorsängerin, deren Aufgabe es ist, den Gesang, den die anderen Frauen teilweise unterbrechen, fortzuführen. Der Chor der Männer bewegt sich in einer geschlossenen Gruppe vor der Reihe der Frauen. Der männliche Vorsänger bewegt sich vor der Reihe der Frauen, indem er üblicherweise von links nach rechts vor der Linie der Frauen tanzt, und in einem weiten Kreis auf seine Ausgangsposition zurückkehrt. Immer wieder entfernt er sich vom Chor der Frauen und bildet dabei einen Halbkreis oder einen Kreis um diesen herum.

Die im Kontext mit diesen choreographischen Abläufen mehrfach erwähnte Idee des Kreises lässt sich auch in weiteren Bereichen nachvollziehen.

So lässt sich zum Beispiel feststellen, daß sich der melodische Verlauf bestimmter Gesänge dadurch auszeichnet, daß die Melodie immer wieder zu einem bestimmten Grundton zurückkehrt und sich somit um ein tonales Zentrum herum bewegt. Diese stetige Rückkehr zum Ursprungston, verbunden mit einer ständigen Wiederholung der kurzphrasigen musikalischen Motive führt zu dem Eindruck einer recht monotonen musikalischen Gestaltung. Dieses monotone Moment ist in indianischen Kulturen allerdings nicht negativ bewertet, sondern ist auf die vollkommene und ästhetische Figur des Kreises zurückzuführen.

Diese ästhetische Figur des Kreises lässt sich neben der angesprochenen choreographischen Gestaltung von Tänzen und bestimmten Melodiebildungen in Gesängen unter anderem auch in der Gestaltung der Dorfanlage der Krahó wiederfinden. Im Zentrum des Dorfes befindet sich ein runder Platz, auf dem ein Großteil der Zeremonien ausgeführt wird. Von dieser Mitte aus führen strahlenförmig mehrere Wege in den peripheren Bereich des Dorfes, in dem sich die Hütten der Bewohner an einem Rundweg gelegen befinden.

Hinter der Form des Kreises scheint sich somit ein ästhetisches Prinzip zu verbergen, das sich sowohl in der architektonischen Anlage des Dorfes als auch in musikalischen Gestaltungskriterien wiederspiegelt.

Den ausgeprägten Hang der Krahó zum Gesang und zum Tanz erklärt sich Wustmann durch die innere Zufriedenheit, die diese Menschen verspüren. So schreibt er:

"Wir wundern uns manchmal, woher sie ihre Kraft nehmen. Sie jagen, bauen, basteln, flechten Matten und kochen, sie sammeln Früchte, tragen Wasser, baden und backen. Aber alles geschieht ohne Hast, denn sie haben viel Zeit. Sie rechnen überhaupt nicht mit der Zeit. Aus dieser Zufriedenheit heraus entstand wohl ihr Hang zu Gesang und Tanz. Nur wer fröhlich ist, kann tanzen und singen. Und wer fröhlich ist, will sich schmücken. Für den ist jeder Tag ein Fest."

Wustmann und seine Begleiter nahmen während ihres Aufenthaltes verschiedene Gesänge der Krahó auf Tonband auf, darunter einige Kriegs- und Jagdlieder, zahlreiche Festlieder und einen Klagegesang einer alten Indianerin. Der geistige Hintergrund dieser Tonaufnahmen ist in der Befürchtung Wustmanns zu suchen, daß mit der nahenden Zivilisation und dem damit einhergehenden Verfall der indianischen Kulturen auch die Lieder und Melodien der Krahó verloren gehen könnten.

Bereits zum Zeitpunkt seines Aufenthaltes bei den Krahó kann er Ansätze dieses Prozesse erkennen. So berichtet er:

"Mit den Indianern sterben ihre Lieder. Die Lieder gehen verloren, als wären sie Gegenstände. Eines Tages sind sie einfach nicht mehr da. ?Kannst du mir den Text des Liedes sagen, das du soeben gesungen hast?‘ frage ich einen Indianer. Er schüttelt den Kopf, denn er kennt ihn nicht. ?Ich weiß das Wort‘ spricht er, ?doch kenne ich nicht die Bedeutung. Früher wussten wir es, jetzt weiß es keiner mehr.‘"

Die Beschäftigung mit der Kultur der Krahó und insbesondere mit der Musik des Stammes soll einen Versuch darstellen, diesem Prozess des kulturellen Verfalls entgegenzuwirken und den großen Wert der traditionellen Kultur des Stammes bewußt werden zu lassen.

 

Literatur

Aytai, Desiderio : Zur Idee des Kreisens in der Musik der Xavante-Indianer,in A.A.Bispo (Org.), Die Musikkulturen der Indianer Brasiliens III, Musices Aptatio, Jahrbuch 1998/99, Köln, 1998, S.156-162. ---. Die Monotonie in der Musik der Indianer, in: ebd., S.170-182.

Barbosa, Valber Dias: Krahô. Opposition als Erfordernis des Lebens in der Welt der Lebenden, in A.A.Bispoi (Org.), Die Musikkulturen der Indianer Brasiliens II, Musices Aptatio, Jahrbuch 1996/97, Köln, 1999, S.245-249.

Lowie, Robert H.: The Northwestern and Central Gê, in: Handbook of South American Indians, Hrsg.: Julian H. Steward, Bd.1, Washington, 1946, S.477-517.

Nimuendajú, Curt: The Eastern Timbira, Berkeley/Los Angeles, 1946.

Schultz, Harald: Krahó - Brasilien (Tocantinsgebiet). Morgenzeremonie, IWF-Begleitpublikation zu E 114, Göttingen, 1964.

Setti, Kilza: Die Klänge des Perekahek am Rio Vermelho, in: A. A. Bispo (Org.), Die Musikkulturen der Indianer Brasiliens, Musices Aptatio, Jahrbuch 1994/95, Köln, 1997, S.241-270.

Wustmann, Erich: Crao. Indianer der roten Berge, Leipzig, Radebeul, 1977 (6.Aufl.).

 

Alguns textos dos anais do Congresso foram publicados em:/Einige Texte der Annalen des Kongresses wurden veröffentlicht in:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0

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