Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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No. 84 (2003: 4)


 

    Entidades promotoras
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    I.S.M.P.S. e.V./I.B.E.M.: Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes/Instituto Brasileiro de Estudos Musicológicos
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    Direção geral
    Dr. Antonio A. Bispo
    Direção Forum RS
    Dra. Helena de Souza Nunes, Rodrigo Schramm

© Foto: H. Hülskath, 2002
Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S.

 

SÃO GONÇALO DO AMARANTE: EIN HEILIGER SOZIALER ANGELEGENHEITEN. BETE FÜR UNS!

Walter Cassalho

 

Brasilien, neues Jahrhundert, neues Millenium, leider ein Land schreiender sozialer Unterschiede, wo es Straßenkinder an den Ampeln und Kinderarbeit auf den Zuckerrohrfeldern, in den Ziegeleien und in anderen Bereichen gibt. Verlassene Kinder und Frauen, ohne Arbeit, ohne Ausbildung, vom Sextourismus ausgebeutet. Ein junges, großes und unreifes Volk, das dem Konsum verfallen und in seiner Kulturidentität instabil ist.

Die Frauen sind es, die stets an den Straßenkreuzungen, in den Nachbars, in den Web-sites ausgebeutet werden, sei es in den Bordellen, sei es durch das Internet.

Wer ist auf ihrer Seite? Bei Tageslicht werden sie verachtet, in der Nacht: wer weiß es? Religionen exkommunizieren sie, werfen sie hinaus, verschließen ihnen die Türen! Wer ist für sie? Gibt es jemanden, gibt es einen Gott, gibt es einen Heiligen, der sie beschützt?

Ich betrachte nun die Viola-Spieler, die Sänger der Nacht, der Feste, des Umherziehens, die früher für die in Versen und Prosa übermittelten Nachrichten zuständig waren, die aber stets einen schlechten Ruf hatten, häufig eines gewaltsamen Todes starben. Viola-Spieler, die immer den Frauen gegenüber galant waren, die mit den Fingern am Instrument die Blicke auf die Frauen im Tanzkreis richteten. Verlorene Seelen? Wer ist für sie? Wer macht sich Sorge um die Seele dieser Nachtmenschen?

Man glaube es oder nicht, diese jungen Frauen und Männer, verloren oder nicht, haben einen Schutzheiligen! Einen Heiligen, der für sie betet, sie beschützt und ihre Seele erhellt. Jawohl! Es gibt einen Heiligen für dieses verachtete Volk! Einen Viola-spielenden Heiligen, der in den Himmel aufgestiegen sein soll und bei Gott mit seiner Viola, seinem Hut, seinem Mantel und seinen Stiefeln ist.

Er ist der Heilige Gonçalo, Gonçalo aus Amarante, aus dem fernen Portugal, von wo er in den Himmel stieg und vom Himmel nach Brasilien kam, um die Viola-Musik dieser dunkelhäutigen Menschen zu hören, dieser "caboclos", sündhaft, aber religiös, stets besorgt um die Verehrung ihres Schutzpatrons. Ein Heiliger, der nicht nur Viola spielt, sondern auch alten Frauen zur Ehe verhilft. Derjenige, der Wunder vollbringt und dafür kein Geld verlangt, sondern nur darum bittet, daß man Viola spielt und dabei mit Händen klatscht und stampft.

Es ist dieser Mann, dieser Heilige, dieser Viola-Spieler und Geistliche, über den wir heute sprechen.

Eu vou beijar meu São Gonçalo/E venha todos de uma vez/ E os devotos ele ensinava/ É desse jeito que ele fez/ Ele promete o solidéu/ E todos nós queremos o céu/ É Deus que sabe, eu não sei.

Dieses Zitat stammt aus einem der vielen Verse von Gebeten an São Gonçalo, den portugiesischen Heiligen, der als Schutzpatron der Viola-Spieler gilt. Ihm wurden bereits verschiedene Untersuchungen volkskundlicher, historischer und anthropologischer Art gewidmet. Der Tanz des hl. Gonçalo ist eine der Säulen unserer "Caipira"-Kultur.

Es ist bekannt, daß der Tanz in Bahia seit dem 17. Jahrhundert praktiziert wurde. Er wurde 1728 verboten, was ihn jedoch nicht daran hindert, sich in ganz Brasilien auszubreiten und bis heute noch mit großer Inbrunst vor allem im Hinterland von São Paulo gepflegt zu werden. In Piracaia und Joanópolis, kleinen Städten des Paraíba-Tales, wird er seit Anfang des 19. Jahrhunderts aufgeführt, als die kleine Ortschaft Santo Antonio da Cachoeira - das heutige Piracaia - gegründet wurde.

Nach Pedro Calmon wird der Tanz von São Gonçalo in Bahia in einer Predigt des Jahres 1690 erwähnt. Danach findet man einen Hinweis auf den Tanz im Bericht des Franzosen Barbinnais aus dem Jahre 1717: "Zahlreiches Volk versammelte sich im Vorhof der Kirche des Schutzpatrons der ledigen Alten, tanzte zum Klang der Musik von Gitarren und schrie ?Es leb S. Gonçalo!‘. Sobald der Vize-König eintraf, geleitete man ihn in die Kirche. Man zwang ihn zu tanzen und zu springen. Auch die Franzosen mußten am Fußstampfen teilnehmen. Man kann sich vorstellen, wie verwundert sie darüber waren, welchen Aufwand und Glanz die Brasilianer den religiösen Riten verliehen hatten, einem Erbe der Übertreibungen der Portugiesen im Bündnis mit der indigenen Exotik und dem Fetischismus der Afrikaner."

Câmara Cascudo erwähnt in seinem Lexikon des Brasilianischen Folklore einige bemerkenswerte Fakten. So sollen zur Zeit des Vize-Königs Vasco Fernandes César de Meneses in Bahia am Tag des hl. Gonçalo weiße Frauen, Männer und Knaben zusammen mit Schwarzen, die Violas, Handtrommeln und Adufes spielten und "Vivas" schrien, in den Straßen dermaßen ausgelassen gefeiert haben, daß das Heiligenbild in einer Weise getragen wurde, daß es eher nach Mißbrauch und Aberglauben als nach Ehrerweisung aussah. Aus diesem Grund verfügte dieser Vize-König zum Klang von Militärtrommeln, daß alle, die an diesen ungeordneten Festen teilnahmen, mit schweren Strafen zu rechnen hätten.

Wie es in Brasilien zu erwarten war, blieb dieses Gesetz unwirksam, so daß der Kult dieses Heiligen weiterhin abgehalten wurde und sich vom Norden bis zum Süden ausbreitete. Vielleicht wurde er von Viola-Spieler überall eingeführt, die durch das Hinterland umherzogen, oder von Migranten, die den Kult zu anderen Regionen mitbrachten.

Worin lag die Faszination dieses Heiligen, die dazu führt, daß das Volk trotz aller Verbote ihm den Kult erwies? Früher wurden Kulthandlungen und Tanz innerhalb der Kirchen ausgeführt, später wurden die Feiernden mit ihren Violas aus den Kirchen vertrieben. Der "Caipira" jedoch versteckte nicht die Viola! Er folgte dem Beispiel seines Schutzpatrons, der, als er von Hunden aus einer portugiesischen Villa vertrieben wurde, andere Refugien suchte und Volk für seine Predigten fand. Der "Caipira" suchte nach neuen Orten, nahm den hl. Gonçalo aus den Kirchen und beherbergte ihn in seinem eigenen Haus. Der Heilige geht - wie alle wahrhaften Viola-Spieler - ohne seßhaft zu sein von Haus zu Haus, und in jedem Ort erlebt er ein Fest mit Viola, Hände-Klatschen, Füße-Stampfen und viel Gebet.

Die Faszination, die der hl. Gonçalo ausübt, liegt vielleicht darin, daß er ein Heiliger ist, der dem sterblichen Menschen nahe ist, d.h. er liebte Viola-Musik, Gesang und Tanz, er verlangte nicht nach dem Zeremoniell und dem Latein katholischer Hochämter. Der hl. Gonçalo sprach und reflektierte mit einer Stimme, die das Volk verstand und paßte in ausgezeichneter Weise zum festfreudigen brasilianischen Volk.

São Gonçalo do Amarante/ Que Veio de Portugal/ Ajudai nós a vencer/ Esta batalha real. /São Gonçalo do Amarante/ Protetor dos violeiros/ Eu peço que fique cumpre/A promessa do festeiro!

Wer war der hl. Gonçalo?

Nach der Geschichtsschreibung soll er in Tagilde, Portugal, in einer bedeutenden Familie geboren sein und sich dem Theologiestudium gewidmet haben. Er wurde zum Priester geweiht und übernahm die Pfarrei von S. Paio de Riba de Vizola.

Als guter portugiesischer Jüngling soll er das Instrument erlernt haben, daß seiner sozialen Herkunft würdig war, nämlich die Gitarre. In seinem priesterlichen Leben spielte vor allem die Leidensgeschichte des Herrn eine große Rolle. Er beschloß, eine Pilgerreise zu den Heiligen Stätten anzutreten und überließ seine Pfarrei einem Neffen. Seine Pilgerreise dauerte vierzehn Jahre voller Fasten, Gebete und Studien. Bei seiner Rückkehr traf er seine Gemeinde durch seinen geizigen Neffen korrumpiert an, die ihn sogar schließlich aus der Region vertrieb. In dieser Situation trat er dem Dominikanischen Orden bei und lebte viele Jahre in Guimarães, von wo er später nach Amarante zog.

Es war dieser Ort, in dem die Arbeit von São Gonçalo intensiver wurde. Zunächst widmete er sich den Fluten des Tâmega-Flusses, der in jedem Winter das Leben derer gefährdete, die ihn überqueren wollten. Durch Almosen, die er beim Spiel der Viola von Haus zu Haus sammelte, erhielt er die Mittel, um eine Brücke zu bauen. Nach der Legende soll er durch die Viola-Musik und seine Stimme Fische angezogen haben, mit denen die Brückenbauer ihren Hunger stillen konnten. Nach einer anderen Legende konnte er damit einen Stein bewegen, der für den Bau hinderlich war und von vielen Menschen nicht fortgetragen werden konnte. Und all dies viele Jahrhunderte vor den heutigen Charismatikern!!! Der hl. Gonçalo soll die Verkündigung erneuert haben, indem er viele Menschen anzog, die seine Musik hören wollten, deren Worte von Gott und vom Weg zum Himmel sprachen.

So erhielt er zunehmend einen Ruf und bekehrte Menschen, und in den Tanzversammlungen fanden sich viele Waisen und Witwen zusammen, für die der Heilige eine gute Ehe angebahnt haben soll. Er half diesen Frauen nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch dadurch, daß er ihnen die Wohltaten des Ehesakraments zukommen ließ. Auch Frauen von laszivem Leben, Prostituierte, wurden von seiner Musik angezogen. Es soll - wie erzählt wird - mit Tänzen Geld gesammelt haben, indem er nächtelang mit ihnen tanzte, so daß sie keine Gelegenheit fanden, ihrem Gewerbe nachzugehen. Sie vergnügten sich mit der Musik, und wegen des Geldes brauchten sie nicht mehr der Prostitution nachgehen.

Der hl. Gonçalo ist vielleicht einer der wenigen Heiligen, die mit diesen Frauen mitempfanden, anstatt sie zu verurteilen. Er warf auf sie keinen Stein, sondern erkannte, daß der Grund für ihr verwerfliches Leben nicht die Wollust war, sondern die sozialen Probleme, der Hunger, die Verlassenheit, das Elend, die Ignoranz, der Mangel an Solidarität. Er packte den sozialen Mißstand an den Wurzeln, zeigte den Frauen nicht die Schulter, schloß nicht die Tür seiner Kirche vor ihnen und hat sie nicht ausgeschlossen.

Um der Versuchung zu widerstehen und selbst nicht der Sünde zu verfallen sowie um sich stellvertretend für diese Frauen zu kasteien, soll er seine Stiefel mit kleinen Steinchen aus dem Fluß gefüllt haben, die in Portugal "Nägel" genannt werden, so daß er beim Tanzen Buße tat, ohne daß jemand davon etwas merkte. So soll er leichtlebige Frauen bekehrt, ledige Alte verheiratet und Witwen geholfen, Ungläubige getauft und Hungernde gespeist haben. Der hl. Gonçalo starb am 10. Januar 1259 und wurde in Amarante beigesetzt. Seine Viola verschwand; für die Gläubigen hat er sie mit in den Himmel genommen, wo er seine Musik weiterhin spielt und dadurch das himmlische Haus erfreut. Nach seinem Tod wurden ihm viele Wunder zugeschrieben. Sein Kult wurde anerkannt; er wurde 1551 von Papst Julio III. seliggesprochen und 1561 von Pius IV. kanonisiert.

Sein Grab in der dominikanischen Kapelle von Amarante wird bis heute von Frauen besucht, die Hände und Gesicht des Bildes küssen, das sein Grab bedeckt, und die ihren Bauch an ihm reiben, um fruchtbar zu werden. Andere ziehen die Kordel am Kleid der Altarfigur und erflehen dabei eine gute Eheschließung. Der Tanz des Heiligen wurden in Portugal früher als Tanz der leichtlebigen Frauen - "Dança das Regateiras" - bezeichnet. Darüberhinaus wird er als Beschützer von Knochen angesehen. Sein Fest findet am 10. Januar und zu Beginn des Monates Juni mit Aufzügen, Messen und Prozessionen statt, wobei sein Bild allerdings ohne Viola erscheint.

In Darstellungen des Volkskatholizismus finden sich häufig synkretistische Elemente. In Portugal sollen sich Riten antiker Fruchtbarkeitskulte in dem Kult des Heiligen erhalten haben, so daß im Juni während der Feste eine Art Zuckerbrot hergestellt oder Brote gebacken werden, die phallische Formen aufweisen. Sie werden an den Türen der Kirchen aufgehangen und - nachdem sie gesegnet wurden - von Frauen verspeist, die Fruchtbarkeit oder eine unkomplizierte Entbindung wünschen.

In Brasilien sind die Feiern des hl. Gonçalo in ihrer Mehrheit mit Heilung und guten Geschäften assoziert. Die Menschen, die dem Heiligen ihre Bitte vortragen, wünschen sich entweder Gesundung für Beine und Füße oder erhoffen sich durch die Realisierung des Tanzes eine Besserung des Geschäfts. Der phallische Charakter des Ritus trat in Brasilien in den Hintergrund, vielleicht wegen der Existenz einer Unzahl von Formeln, Riten, magischen Praktiken und auch anderen Heiligen für Probleme der Sexualität und der Fruchtbarkeit. Bei allen Festen werden jedoch den Gläubigen Brote gereicht, die vielleicht eine Erinnerung an die phallischen Brote Portugals darstellen.

In vielen Orten Brasiliens wird der Heilige als Eheanbahner angesehen. Im Südosten gilt der hl. Antonius als Ehevermittler für jungen Frauen, der hl. Gonçalo für alte Frauen. Dies wird in einem bekannten Vers zum Ausdruck gebracht: "Hl. Gonçalo von Amarante, Ehestifter der Alten, warum verheiratest Du nicht die Jungfrauen, was haben sie Dir getan?"

Es gibt keinen festgelegten Tag, um sein Fest durchzuführen. Im Allgemeinen wählen die Gläubigen, die ein Versprechung ablegen, den Samstag oder den Sonntag.

Je nach Region, in der der Tanz stattfindet, erfährt er Wandlungen unter dem musikalischen Einfluß der jeweiligen Gruppe. In manchen Regionen von Minas Gerais, Goiás und Bahia wird der Tanz mit Blumenbögen in einer reichen Choreographie aufgeführt, in Ceará ist er sehr lebhaft und schnell, wobei die Frauen weite und bunte Kleider tragen. In Pedrinhas im Bundesstaat Pernambuco erscheint der hl. Gonçalo mit einer Handtrommel und ohne Viola. In Sergipe wird der Tanz von Männern aufgeführt; nur eine Frau nimmt daran teil, die als Nachtfalter bezeichnet wird und das Bild des Heiligen trägt.

Im Süden Minas Gerais und im Paraiba-Tal São Paulos gibt es keine besonderen Kleider. Der Tanz wird in zwei Reihen ausgeführt; die Viola-Spieler singen laut und weinerlich am Ende der Verse und stampfen und klatschen wie bei einer Catira. Daß es in den untersuchten Gemeinden (Joanópolis und Piracaia) keine Kapelle für den hl. Gonçalo gibt, wird damit erklärt, daß er als Viola-Spieler nicht seßhaft und immer im Haus anderer ist. Sein Bild findet sich in mehreren Kirchen, aber keine Kirche der Region ist ihm gewidmet. Eine Gonçalo-Kirche zu bauen und stehen zu lassen würde nach der Erklärung eines Gläubigen dem Heiligen mißfallen. Angemessen sei es dagegen, mit ihm auszugehen und andere Kapellen mit Musik und Tanz zu besuchen.

Vor einigen Jahren war der Tanz feierlicher und wurde in der Regel samstagsabends oder zur Vesper von Festtagen gefeiert. Tage zuvor wurde der Altar vorbereitet und mit Bögen, Blumen, Stickereien, Papier und anderen Elementen ausgeschmückt. Das Bild wurde in einem Korb getragen und damit Almosen in den Häusern für die Durchführung des Festes gesammelt. Am Vortag des Festes schlachteten diejenigen, die ein Versprechen ablegten, einen Ochsen oder kauften Fleisch für den "Afogado", gekochtes Fleisch mit viel Soße, das auf dem Teller mit Maismehl angedickt und mit Reis bedeckt wird.

Beim Anbruch der Nacht wurde der Altar vorbereitet, und in kleinen Prozessionen wurden rustikale, jedoch ausgeschmückte Altäre mit den Bildern vom hl. Benedito, Unserer Frau von Aparecida und dem hl. Gonçalo gebracht. Der Altar des hl. Benedito wurde vorangestellt, da seine Anwesenheit ein Garant für eine Nacht ohne Regen und für gutes Wetter war. Nachdem die Bilder auf dem Altar plaziert worden waren, wurden der Rosenkranz und Litaneien mit den sogenannten "Incelências" gesungen, zuweilen sogar noch in gebrochenem Latein. Anschließend wurde das Ritual durchgeführt, das aus sechs Drehungen bestand, die jeweils etwa 40 bis 50 Minuten mit Intervallen von ca. 15 bis 20 Minuten andauerten. Bei der dritten Drehung wurde das Essen angerichtet. In den Intervallen wurden Kaffee, Brot und Kuchen überreicht. Nach der Tradition soll es Glück bringen, Kaffee während des Gonçalo-Festes zu trinken. Der letzte Tanz wurde bei Tagesanbruch ausgeführt. Er wird bis heute als Canjuru bezeichnet. Dabei singen und tanzen die Gläubigen in einem großen Kreis.

An den hl. Gonçalo werden viele Bitten gerichtet, und bei Erfüllung des Erwünschten soll das Fest vorbereitet werden. Wenn das Gelübde nicht eingehalten wird, droht dem Gläubigen nach dem Tod die Versperrung des Himmels, so daß seine Seele auf der Erde umherirren muß. Aus diesem Grund werden oft Feste im Namen eines Verstorbenen organisiert, der ein Familienmitglied im Traum darum gebeten hat, sein Gelübde zu erfüllen, damit seine Seele in Frieden ruhen kann.

Der Tanz wird ehrfurchtsvoll in Anwesenheit der Feiernden, des Kaplans, der Beter und der Tänzer aufgeführt. Sein Charakter ist strikt religiös, so daß bei den Festen kein Alkohol gereicht wird. Die wichtigsten Rollen waren früher nur Männern vorbehalten. Später wurde den Frauen die Teilnahme an einer Figuration - nämlich der zweiten - erlaubt, danach die Teilnahme am Ende jeder Reihe, und heute gibt es auch feiernde Frauen und sogar Kaplaninnen, wie es in Piracaia und Nazaré Paulista der Fall ist.

Heute werden die Tänze auch während des Tages aufgeführt; sie sind einfacher gestaltet und weisen bei manchen Gelegenheiten nur vier Drehungen sowie verkürzte Litaneien und Gebete auf. Die Altäre werden jedoch noch wie früher gebaut, und es werden weiterhin Kaffee und Brot serviert.

*

Trotz des kulturellen Massakers durch das alltägliche Bombardement durch die Medien, die unablässig versuchen, eine auf die Massen ausgerichtete "Dosenkultur" durchzusetzen, ist es in dieser Region noch möglich, das Spiel einer Viola sowie den gesungenen und weinerlichen Ton portugiesischer Sprache des 16. Jahrhunderts zu hören und mit dem Heiligen und der populären Bilderwelt intim umzugehen.

Es bildeten sich zu Füßen des Mantiqueira-Gebirges Enklaven einer Caipira-Kultur, die aus dem kulturellen Vermischungsprozeß von Weißen, Schwarzen und Indianern hervorgegangen ist. Es sind Keime des kulturellen Widerstands in einer Welt der Nordamerikanisierung, die von einigen euphemistisch als Globalisierung bezeichnet wird. Es sind tiefe, starke und harte Wurzeln, die dem Sturm der Massenkultur widerstehen, der schnell alles wegfegt und das Alte, das Nostalgische, das Mytische und das Poetische verdrängt. Frauen und Männer aus einfachen Verhältnisses, Viola-Spieler und Sänger, die inmitter einer üppigen Natur leben, verbleiben jedoch in der magischen Welt, die nicht einen Sternenhimmel, sondern einen Himmel voller Heiligen und Engel bildet. Sie sind die Heroen des kulturellen Widerstandes, die Caipiras, Nachkommen der tollkühnen Bandeirantes und der Tapuias: mannhafte Menschen alten Schlages, die die Natur lieben und vor allem die Heimat. Sie erliegen nicht der Faszination des Fernsehens, tauschen ihre Musik und ihre Rhythmen nicht gegen eine kommerzielle Musik, sie leben nicht in der virtuellen Welt des Internets, sondern im magischen Universum ihrer Altäre und Glaubensgebäude. Wie lang werden sie widerstehen? Wie lange wird ein hl. Gonçalo sie vor den Klauen einer kulturellen Globalisierung retten? Wird vielleicht unser Viola-spielender Heiliger sie davor bewahren, sich dem Glanz einer Kultur der Herrschernationen zu verkaufen? Der hl. Gonçalo gab den Frauen Geld, damit sie sich nicht verkaufen mußten; sollten wir nicht auch diesem Beispiel folgen und unserer Kulturidentität Wert verleihen, damit sich unsere Generationen nicht dem oberflächlichen Konsum hingibt?

Während sich die Menschen mit solchen Problemen in einer Welt des Individualismus plagen, würde es sich lohnen, daran zu erinnern, daß der hl. Gonçalo die Tugend des Mitleidens, der Verständigung, der Verbrüderung repräsentiert, denn er hatte sich nicht nur um die gesorgt, die an den Ufern des Tamega lebten, sondern auch um alle an den Rand Gedrängten. Vielleicht sollte er als Beispiel für die Regierenden und all diejenigen dienen, die wirtschaftliche und politische Macht besitzen, damit auch sie eine Brücke zum anderen Ufer bauen und die sozialen Probleme von der Wurzeln her beheben, nicht die Türen verschließen, nicht die Hunde frei laufen lassen und keine Steine werfen. Uns lehrt er, daß jeder etwas von sich geben kann. Wenn man kein Geld, keine Macht oder keinen Besitz hat, kann man zumindest etwas von seinen Talenten, von seinem Wissen geben, wie auch er eines Tages sein musikalisches Können, seine Musik und seinen Gesang offerierte.

São Gonçalo do Amarante, meu bom santo violeiro, conhecedor dos problemas deste imenso Brasil: rogai por nós!

 

Literatur

Brandão, Carlos Rodrigues, (1981), Sacerdotes de Viola. Petrópolis-RJ, Vozes.

Cascudo, Luís da Câmara, (1993), Dicionário do Folclore Brasileiro. Rio de Janeiro-RJ, Editora Itatiaia Limitada.

Pereira, Niomar de Souza, (1999), Lenda e culto na dança de São Gonçalo - Revista Folclore nº 24, Guarujá-SP, Gráfica e Editora Mundial.

Diamantino, Dêniston F., (2001) Opará Vídeos - Documentário. Belo Horizonte-MG.

Arquivos do Piracaia Jornal - semanário fundado em 31/3/1974 em circulação na comarca de Piracaia, responsável Mônica Maria Luz Frutuoso.

 

Alguns textos dos anais do Congresso foram publicados em:/Einige Texte der Annalen des Kongresses wurden veröffentlicht in:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0

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