Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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No. 80 (2002: 6)


 

    Entidades promotoras
    Akademie Brasil-Europa
    I.S.M.P.S. e.V./I.B.E.M.: Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes/Instituto Brasileiro de Estudos Musicológicos
    ACDG: Associação Cultural Cante e Dance com a Gente (Novo Hamburgo RS)

    Direção geral
    Dr. Antonio A. Bispo
    Direção Forum RS
    Dra. Helena de Souza Nunes, Rodrigo Schramm

© Foto: H. Hülskath, 2002
Archiv A.B.E.-I.S.M.P.S.

 

BRASILIEN UND DER WESTDEUTSCHE RUNDFUNK

Brigitte Berger-Bäcker

 

Das Verhältnis zwischen Brasilien und Deutschland ist geprägt von der deutschen Auswanderung, die im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verstärkt einsetzte. Die Beziehungen der Emigranten zu ihrer alten Heimat ist dabei vielfältigen Bedingungen unterworfen, von der politischen Lage in Deutschland bis hin zur Art der Kontakte zu den Einheimischen in der neuen Heimat. Obwohl die enorme Integrationsfähigkeit der Menschen Brasiliens eine extreme Isolation wie etwa in Chile selbst in den frühen Phasen der Einwanderung nicht erlaubte, hielten und halten sich deutsche Traditionen doch recht lange, vor allem in den südlichen Staaten Rio Grande do Sul und Santa Catarina. Vor diesem Hintergrund erscheint die Rolle von Medien wie etwa dem Rundfunk in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Zum einen bieten sie Kanäle der Kommunikation zwischen der alten und neuen Heimat, zum anderen repräsentieren öffentlich-rechtliche Anstalten durch ihre nicht primär kommerzielle, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Orientierung Deutschland auch auf internationaler Ebene.

Unter den öffentlich-rechtlichen Rundkunkanstalten Deutschlands ist der Westdeutsche Rundfunk, abgekürzt WDR, aufgrund seiner Größe sicherlich als der bedeutendste anzusehen. Obwohl seine historischen Wurzeln bis in das Jahr 1924 zurückreichen, erscheint doch die Gründung des Nordwestdeutschen Rundfunks bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der britischen Zone als Geburtsstunde des WDR in seiner heutigen Ausprägung. Zehn Jahre später werden die beiden Funkhäuser in Hamburg und Köln getrennt und damit die unabhängigen Sendeanstalten Norddeutscher Rundfunk NDR und WDR gegründet. Diese bilden mit verschiedenen anderen regionalen Sendern die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, genannt ARD, in die nach der Wiedervereinigung auch die Sender der ehemaligen DDR integriert wurden. Der Anspruch der ARD auf Internationalität zeigt sich in engen Beziehungen nach Österreich und Frankreich, die sich in den in Kooperation verwalteten Kanälen 3sat und ARTE zeigen und durch ihre explizite Ausrichtung auf Kultur und Bildung die Hauptziele des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland in besonderem Maße deutlich werden lassen. Auf internationaler Ebene ist die ARD auch in Form zahlreicher Auslandsstudios vertreten, so in Amman (Jordanien), Den Haag (Niederlande), Kiew (Ukraine), London (Großbritannien), Moskau (Rußland), Nairobi (Kenia), New York und Washington, D.C. (USA), Paris (Frankreich) und Warschau (Polen). Der Bereich Lateinamerikas wird von Buenos Aires und Ciudad de México aus erfaßt. Für Brasilien war zu der Zeit, als Rio de Janeiro noch Hauptstadt war, ein dortiges Studio zuständig; dieses wurde jedoch nach der Ermordung des Korrespondenten geschlossen. Im Jahre 1999 wurde ein eigenes Hörfunkprogramm mit Namen Funkhaus Europa eingerichtet, das sich explizit an die verschiedenen in Deutschland lebenden Einwanderer wendet und verstärkt Nachrichten aus den verschiedenen Herkunftsländern des Zielpublikums anbietet. Daß insbesondere innerhalb des musikalischen Programms auch deutsche Hörer mit Vorlieben für außereuropäische Musik angesprochen werden sollen, schlägt sich in einer Musikauswahl nieder, in der Lateinamerika und speziell Cuba und Brasilien überdurchschnittlich stark vertreten sind.

Der Anteil brasilianischer Themen - sowohl musikalischer als auch inhaltlicher Natur - im Programm des WDR ist über eine Recherche im Archiv zu ermitteln. Entsprechend der inneren Struktur des Archives sind Musikaufnahmen, Wort- und Videobeiträge getrennt zu durchsuchen. Im Falle der letzteren beiden handelt es sich meist um kurze Reportagen zwischen drei und sieben Minuten, in denen die in Europa gängigen brasilianischen Themen verarbeitet werden, so vor allem Sport - vergessen wir nicht, daß Brasilien dieses Jahr den Fußball-Weltmeistertitel errungen hat! - Kaffee, Karneval, Samba oder auch verschiedene Themen politischen Interesses. Daneben existiert noch eine Reihe umfangreicherer, zum Teil mehrteiliger Reportagen, an deren Produktion der WDR meist nicht beteiligt ist, da sie großenteils von Spezialisten gedreht und dann zum Verkauf angeboten werden. Als Beispiele dafür sind etwa großangelegte Fernsehbeiträge über den Amazonas oder auch verschiedene Indianerstämme zu nennen.

Die Tatsache, daß die Musik auch in Reportagen allgemeinerer Natur - so etwa an Touristen gerichtete Reisesendungen oder auch in Beiträgen zur Kultur der Indianer - immer Erwähnung findet, schlägt sich auch im Musikarchiv nieder.

Den etwas über tausend Einträgen in den Bereichen Wort und Video stehen über 1400 Aufnahmen mit brasilianischer Musik gegenüber, wobei zu dieser Zahl noch eine nicht unbeträchtliche Dunkelziffer an Musikstücken hinzuzuaddieren ist, die in den einzelnen Redaktionen, etwa des Funkhauses Europa, vorliegt und gar nicht zentral archiviert wurde. Jede der erfaßten Aufnahmen wird anhand verschiedener Kategorien klassifiziert, unter anderem nach geographischer Herkunft, was für die vorliegende Betrachtung natürlich von unschätzbarem Wert war. Die Grobeinteilung der Musik in die Sparten Unterhaltungsmusik, Ernste Musik, Jazz etc., die aus musikwissenschaftlicher Sicht sicherlich hochproblematisch ist, erleichtert in der Praxis die Auswahl des Materials für den Sendebetrieb doch erheblich; da sie innerhalb des WDR und insbesondere in Archivierungsprozessen grundlegend ist, soll auch in diesen Betrachtungen von ihr ausgegangen werden.

Die Summe der Aufnahmen brasilianischer Musik im Archiv des WDR setzt sich aus 893 Aufnahmen Unterhaltungsmusik, 411 in der Ernsten Musik und 109 im Jazzbereich zusammen. Es fällt dabei auf, daß der Bereich der traditionellen Musik keine Einträge im Bereich Brasilien aufweisen kann. Dies hängt einerseits zusammen mit gewissen Uneinigkeiten bei der Erfassung der entsprechenden Tonträger, die dazu führen kann, daß Aufnahmen mit indianischer Musik, wie z.B. der Kaiapó oder der Tupi Nagô, in der Kategorie Unterhaltungsmusik landen. Ähnliches gilt großenteils auch für die Unterscheidung zwischen Jazz und Unterhaltungsmusik, so daß sich etwa Aufnahmen aus dem Bereich Bossa Nova sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite wiederfinden können. Andererseits spiegelt das Fehlen bestimmter Musikrichtungen auch die deutsche bzw. europäische Rezeption brasilianischer Musik wieder, die anderen Stilen neben Samba, Bossa Nova und Música Popular Brasileira nur wenig Platz einräumt. Bezeichnend dafür ist, daß eine der kommerziell erfolgreichsten Musikrichtungen Brasiliens, die Música Sertaneja, in den USA und sogar in China seit langem geschätzt, in Europa nahezu unbekannt ist.

Auch im Bereich der ernsten Musik spiegelt der WDR europäische Präferenzen wieder: Von den 411 Aufnahmen entfallen 353 auf Heitor Villa-Lobos, es folgen Antônio Carlos Gomes mit 19, Camargo Guarnieri mit 12 und Ernesto Nazareth mit 10 Aufnahmen. Einen weiteren Teil nehmen nicht-brasilianische Komponisten ein, die sich in ihrem Werk thematisch mit Brasilien auseinandersetzten, so vor allem Darius Milhaud mit den "Saudades do Brasil", aber auch Bernd Alois Zimmermann mit den "Caprichos Brasileiros" oder Ottorino Respighi mit den "Brasilianischen Impressionen".

Eine andere für die Arbeit des WDR bedeutsame Unterscheidung ist jene zwischen Industrieproduktionen und Eigen- bzw. Koproduktionen. Während erstere vom Sender lediglich eingekauft werden oder als Werbematerial dorthin gelangten, ist der WDR bei den letzteren an der Produktion beteiligt bzw. produziert sogar selbst. So zeigt es sich, daß der WDR bei den 109 unter Jazz eingeordneten Aufnahmen immerhin 35 selbst produziert hat. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die WDR BigBand, heute unter der Leitung von Bill Dobbins, die sich seit den 80er Jahren auch verstärkt brasilianischem Repertoire widmet, wie Statistiken zeigen. Von den 411 Registrierungen ernster Musik war der WDR bei 137 an der Produktion beteiligt. Daß im Bereich der Unterhaltungsmusik, der mit 900 Aufnahmen die größte Menge an Musik mit brasilianischem Bezug bietet, keine Eigen- oder Koproduktionen zu verzeichnen sind, ist wahrscheinlich mit grundlegenden strukturellen Unterschieden zu Jazz und ernster Musik zu erklären, wo eine stärkere Trennung zwischen Komponist und Interpret vorliegt und der WDR mit zwei Ensembles von Weltrang, nämlich der WDR BigBand und dem Rundkfunk-Sinfonieorchester, naturgemäß stärker vertreten ist.

Das Gesamtbild, das die Beziehung zwischen WDR und Brasilien bietet, ist, so läßt sich abschließend sagen, stark geprägt von den Präferenzen des deutschen Publikums, wie sich vor allem auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik zeigt. Trotzdem erlaubt die weniger kommerzielle als kulturpolitische Ausrichtung des Senders nicht nur, in der deutschen Öffentlichkeit ansonsten wenig repräsentierte Aspekte wie die brasilianische ernste Musik nicht nur bekannter zu machen, sondern auch aktiv durch Produktionen mit den WDR-eigenen Ensembles zu fördern. Auf der Ebene von Reportagen tritt der WDR zwar nicht oft selbst als Produzent in Erscheinung, jedoch kommt ihm und anderen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten die Hauptverantwortung in der Verbreitung nichtalltäglicher Themeninhalte, etwa über die Indianer Brasiliens, zu. Es bleibt somit zu hoffen, daß der WDR auch weiterhin anstrebt, seinem kulturellen Anspruch gerecht zu werden und die verschiedenen Aspekte brasilianischer Thematik an das Publikum zu vermitteln, und sich möglicherweise noch stärker auf die engen Bande, die zwischen Deutschland und Brasilien bestehen, besinnt.

 

Texto incompleto e sem notas/Unvollständiger Text ohne Anmerkungen
Da publicação:/Aus der Veröffentlichung:
Musik, Projekte und Perspektiven. A.A. Bispo u. H. Hülskath (Hgg.).
In: Anais de Ciência Musical - Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft. Köln: I.S.M.P.S. e.V., 2003.
(376 páginas/Seiten, só em alemão/nur auf deutsch)
ISBN 3-934520-03-0

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