Prof. Dr. A. A. Bispo, Dr. H. Hülskath (editores) e curadoria científica
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N° 73 (2001: 5)


 

Brasil 2001
Colóquio/Kolloquium

ZUR ERÖFFNUNG EURO-BRASILIANISCHER ARBEITEN IM 21. JAHRHUNDERT
ABERTURA DOS TRABALHOS EURO-BRASILEIROS NO SÉCULO XXI

9.-11. Februar 2001
9 a 11 de fevereiro de 2001

Akademie Brasil-Europa
Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes Instituto Brasileiro de Estudos Musicológicos
Sociedade Brasileira de Antropologia da Música

Wissenschaftliche Leitung Dr. A. A. Bispo- Org. Dr. H. Hülskath

em cooperação com/in Zusammenarbeit mit:

Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln - Hauptseminar "Die Musik Brasiliens"

*
Musikethnologische Sektion
des Instituts für hymnologische und musikethnologische Studien

*

Seehotel Maria Laach

 

Zum Beginn des 21. Jahrhunderts

Stimmen der Vergangenheit

 

DIE WELT BRASILIENS ALS MUSIKALISCHE ALLEGORIE

Renato Almeida

 

Die Umwelt ist eine einzige Allegorie. Inmitten des Lichtes glänzen und strahlen die Dinge, von Gold berührt wie von glimmernden, wunderbaren Flammen. Die Farben mit ihren wechselhaften und subtilen Widerspiegelungen erschaffen und verwandeln in überraschender Harmonie. Die Sonne glüht, erhitzt die Wälder, versiegelt die Erde und verleiht dem Meer Glanz als Ausschmückung, der Natur Freude und Erstarrung, Ekstase und Melancholie. Im Wald flammen die Blätter, bersten die Stämme, aus denen das warme Harz fließt, und selbst die Erde öffnet sich in einem grausamen und lasziven Drang. Der Boden ist eine Halluzination. Er gibt nicht nur Farbe, sondern auch Klang von sich. Vernimm die erstaunliche Sinfonie, die sich erhebt! Rote Schreie, grüne Melopöen, Geräusch trockner Blätter, lila Schluchzen und graue Ausrufe. Es sind die Stimmen des Urwalds, die brüllen. Es sind Klänge von Violinen und Oboen, Flöten, Celli, Trommeln, Fagotten und Pauken, die in einer barbarischen und großartigen Musik harmonieren. Sogar die Stille ist eine ernste und bewegende Stimme, die vibriert und verängstigt. Alles singt: die wimmernden Zweige, die murmelnden Flüsse, die Wasserfälle in Chorälen, die schrillen Zikaden, die summenden Hummeln und Käfer und die Vogelwelt in der Mehrstimmigkeit der Triller und Schreie von Kanarien und Arapongas. Die wilden Blumen und die Waldfrüchte sind vibrierende Noten, und in allem gibt es Klang in diesem unentschlossenen Rumor jungfräulicher Erde, der als Ganzes ein einziger Gesang von Freude und Ekstase ist.

Der Mensch, der in den Karavellen die Meere durchsegelte und mit der Nostalgie der fernen Heimat kam, erstaunte in der Glut der fremden Welt. Dem Erstaunen folgten die Ermüdung und die Erschöpfung. Angesichts der rohen Natur mit ihrer Eloquenz in ihrem Fest von Licht und Klang fühlte er sich erniedrigt, da der Umfang seiner Stimme in dieser allzu lauten Orchestrierung so gering war. Entmutigt und traurig, melancholisch in diesem Palast von Gold und Juwelen, weinte er, und sein Gesang wurde zu einer traurigen Melodie der Sehnsucht, die aus seinem verängstigen Herzen inmitten des Glanzes des neuen Landes ausbrach. Mit der schwachen Phantasie eines Europäers stimmen die Klangfarben der brasilianischen Symphonie nicht überein, die den wagemutigen Fremden demütigte. Es war die erste Verteidigung der Erde gegenüber dem abenteuerlichen Eroberer. Sie erniedrigte ihn. Er sollte ein schmerzhaftes und melancholisches Lied zwischen dem ewigen Ausbruch ihrer großartigen Harmonien anstimmen.

Es blieb jedoch dem Mensch die Überlegenheit, an die Pascal erinnert; er kann den Dingen zurufen: Ihr denkt nicht, ich aber denke! So könne er die wilde Erde mit seiner Musik greller Metalle und weitläufiger Melodien beherrschen. In dieser Welt sollte er dem Kampf mit der Natur nicht ausweichen, um sie zu besiegen, in mutigen Streifzügen die geheimnisvollen und furchterregenden Urwälder durchziehen, vor dem Konzert tausendfacher Stimmen nicht verstummen. Er sang, wenn auch traurig, bis seine Kinder, die bereits in dieser wunderlichen Szenerie geboren waren, diese harmonische Sprache aller Dinge in ihren feurigen Blut fühlten, sie deuteten und die eigene Stimme mit ihr in einem Lobgesang vereinigen konnten. Diejenigen, die im neuen Land geboren waren, trugen bereits das Zeichen des Erstaunens in sich. Sie waren phantasievoll. In ihrer Seele vibrierte das Drängen des rohen Bodens, aber in der Tiefe des Herzens verblieb der Kern der Melancholie. Der Ekstase hört zuweilen auf und macht der Traurigkeit, der Entmutigung Platz, die sich in den lyrischen Tönen einer etwas bitteren Sentimentalität ausdrückt. Der Schmerz der Väter lebt in ihnen weiter wie ein unbarmherziger Tribut an den fremden Ursprung außerhalb der amerikanischen Welt. Erneut rächt sich die Erde an denen, die ihr die Jungfräulichkeit raubten. Während in ihren Ohren die Stimmen der Natur ertönen, wird ihr Herz zugeschnürt von der Nostalgie der Erniedrigten. Dies ist der Grund der Traurigkeit in der brasilianischen Psyche.

Wir konnten nicht anders als musikalisch sein. Nur die kalten Naturen sind stumm und die unsere macht selbst aus dem Licht eine Symphonie.

Sinfonia da Terra. História da Música Brasileira. Rio de Janeiro, 2a. ed., 1942.

(Trad. A.A.B.)

 

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